2023-02-22
Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seiner Entscheidung vom 09.03.2023 (Urt. v. 9.2.2023 – 10 A 6199/20; PM v. 14.2.2023) die permanente Datenerfassungen bei Mitarbeitertätigkeiten von Amazon am Logistikstandort Winsen (Luhe) erlaubt. Zuvor hatte die Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsen eine entsprechende Überwachung der Mitarbeiter untersagt.
Amazon betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum. Die Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon wird dort koordiniert und abgewickelt. Konkret ging es um die Maßnahme, dass der Scannprozess der Ware durch die Beschäftigten sowie wie die Transportbänder überwacht werden. Amazon begründete diese Maßnahme damit, dass das Unternehmen so stets Kenntnis habe, wo sich die Ware gerade befinde, zum anderen könne Amazon seine Arbeitskräfte besser disponieren.
Amazon wurde von der Datenschutzbeauftragten dies jedoch untersagt. Das Unternehmen hatte es danach zu unterlassen, aktuelle und minutiös genaue Qualitäts- und Quantitätsdaten der Mitarbeitenden lückenlos zu erheben und diese zur Erstellung von Leistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen.
Der Onlineversandhandel hat gegen diese Untersagungsverfügung Klage eingereicht und dargestellt, dass ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung gegeben sei. Damit man bei der Steuerung der logistischen Dienstleistungen im Falle von Schwankungen entsprechend reagieren könne, sei es notwendig, aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte vorliegen zu haben.
Dieser Klage hat das VG Hannover am 03.02.2023 nun stattgegeben und die von der Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachen ausgesprochene Untersagungsverfügung aufgehoben. Das Gericht teilte die Ansicht der Klägerin, dass im Bereich der Logistikdienstleistungen eine entsprechende Steuerung der Mitarbeiterauslastung und -verfügbarkeit erforderlich sei. Der Zweck der Datenverarbeitung sei die Steuerung der logistischen Abläufe und nicht die Erfassung persönlicher Daten.
Wann ist Mitarbeiterkontrolle grundsätzlich erlaubt?
Grundsätzlich ist das Recht des Arbeitgebers, seine Beschäftigten zu kontrollieren, in Deutschland anerkannt. Und zwar deshalb, damit ein Unternehmen prüfen kann, ob die Mitarbeiter auch wirklich ihren Pflichten nachkommen. Allerdings muss sich die Kontrolle in einem eng gesteckten Rahmen halten. Wichtigste Grenze sind Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes. Alle Maßnahmen, die der Kontrolle der Mitarbeiter dienen, müssen mit der Menschenwürde und dem Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit in Einklang stehen.
Ein Verstoß liegt zum Beispiel vor, wenn ohne Kenntnis und Einwilligung des Mitarbeiters Unternehmen Telefonmitschnitte, Internetprotokolle oder sogar Videoüberwachung durchführen lässt, dies verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
Wann ist Videoüberwachung erlaubt?
Eine Videoüberwachung ist nur in Aufnahmefällen gestattet.
Generell muss zwischen der Überwachung in öffentlich zugänglichen und nicht-öffentlich zugänglichen Räumen unterschiedenen werden. In öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten (z.B. Ladenlokal oder Verkaufsbereich) ist die Kameraüberwachung zulässig, wenn seitens des Arbeitgebers ein berechtigtes Interesse vorliegt und es gleichzeitig kein weniger einschneidendes Mittel gibt, um dieses Interesse zu verfolgen. (Ein solches Interesse kann z.B. in der Gefahr von Diebstählen in einem Geschäft bestehen.)
In jedem Fall muss mit Hinweisschildern auf die Videoüberwachung hingewiesen werden und der Betriebsrat den Maßnahmen im Vorhinein zustimmen.
Ganz wichtig: Gibt es rechtlich keinen zulässigen Grund die Mitarbeiter mit Videokameras zu überwachen, ist auch die Kameraattrappe keine Alternative. Denn auch sie setzt die Mitarbeiter einem Beobachtungsdruck aus, der ins Persönlichkeitsrecht eingreift.
Hier bestehen nicht nur Unterlassungsansprüche, sondern auch Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber.
Datenschutzrechtliche Verstöße von Unternehmen bei Mitarbeiterkontrollen.
Die Unternehmen sind aber nicht nur Ansprüchen ihrer Mitarbeiter ausgesetzt, sondern vor allem auch den Ansprüchen von deutschen und europäischen Behörden.
So ist es nicht das erste Mal, dass der Datenschutz von Amazon Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen war. Im Juli 2021 verhängte die Datenschutzbehörde von Luxemburg CNPD gegen den Onlinehändler Amazon ein Rekordbußgeld von 746 Millionen Euro wegen Verstöße gegen die DSGVO. Gegenstand damals war das Online-Targeting, die personalisierte Werbung. Gegen die Höhe des Bußgelds ging Amazon vor.
Und es gibt weitere prominente Beispiele:
Nachdem H&M systematisch private Informationen über seine Mitarbeiter im Kundenservice gesammelt hatte, musste das Unternehmen im September 2020 ein Bußgeld von 35 Millionen Euro zahlen.
Ein Jahr später – am 15.06.2021 wurde IKEA Frankreich zu einer Geldbuße von 1 Million Euro verurteilt. Grund dafür: Es wurden hunderte Mitarbeiter über Jahre ausspioniert, indem Daten über angestellte Mitarbeiter gesammelt und verwertet wurden. Und dabei blieb es nicht: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Ikea Frankreich, der die Anweisungen erteilt haben soll, wurde zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro und zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Ein weiterer früherer Verantwortlicher erhielt 18 Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe von 10.000 Euro.
Die verhängten Bußgelder verdeutlicht erneut, dass die Datenschutzbehörden in Deutschland und in der EU nicht davor zurückschrecken, Datenschutzverstöße durch für den Einzelnen empfindliche und abschreckende, aber auch general-präventive Geldbußen zu ahnden. Kein Unternehmen sollte insofern das Thema Datenschutz unterschätzen!
Rechtsanwaelte - 12:50:56 @ Allgemein
Unser Leistungs-Portfolio nimmt Ihnen Arbeit ab und schafft sicheres Fahrwasser für zulässige Datenverarbeitung. Nehmen Sie gerne Kontakt auf. Nutzen Sie hierfür unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Sie.